Der Liebe Gott und der Sex

Das hier ist ein spannendes, aber nicht gerade wenig kontroverses Thema. Eine der häufigsten Fragen die ich gestellt bekomme ist die, wie ich es denn nun als Christin mit dem Sex halte. Warte ich damit bis auf die Ehe? Muss man das? Soll man das? Steht das irgendwo? Lässt sich das begründen bzw. lässt sich rechtfertigen, wenn man das nicht macht? An diese, lassen sich noch ganz viele andere Fragen dieser Kategorie anhängen. Ihnen zu Grunde liegt aber die Gemeinsamkeit, dass ein bisschen Unklarheit herrscht beim Thema Sex und Gott und Kirche und so.

Mein Blog ist kein fachtheologisches Forum oder eine Plattform informierter, wissenschaftlich geführter, theologischer Diskurse. Ein bisschen vielleicht schon, aber sicherlich nicht in der Art, dass es einem ernsthaften Dialog und Austausch gleich kommt oder gerecht werden würde. Ich will hier also gar nicht versuchen mich auf große theologische und innerkonfessionelle etc. Streitigkeiten einzulassen oder auf diese einzugehen. Das kann man in dem Ausmaß nur in einer echten wissenschaftlichen Arbeit tun und das wird dieser Text garantiert nicht.

Warte ich mit dem Sex auf die Ehe?

Die Kontroverse zum Thema Sex vor der Ehe, wie sehr viele Kontroversen zwischen Christen, entsteht dadurch, wie man die Bibel (das von Gott inspirierte Wort) liest und in weiterer Folge auslegt. Dazu gibt es, grob gesagt, zwei Möglichkeiten: im Kontext, oder außerhalb vom Kontext.

Die Bibel ist kein geschlossenes System. Die Bibel ist ein gewachsenes Buch mit Entstehungsgeschichte(n), Redaktionen und redaktionellen Einschüben etc. die ein ganzes Studium und darüber hinaus füllen können und glaubt mir, ich weiß wovon ich rede 😉 Es ist historisch, schreibt dabei aber nicht Geschichte und entstand über einen gaaanz langen Zeitraum (erstes Testament, zweites Testament etc. ist hier getrennt zu betrachten) durch ganz viele verschiedene und meist bedrohliche Einflüsse und Gegebenheiten bzw. gewachsen.

Ich will euch jetzt keine Einführung in Bibelwissenschaften geben, aber es lässt sich in der Forschung ganz klar feststellten und sagen, dass die Bibel noch nie, zu keinem Zeitpunkt ihrer Entstehung, ein Buch bzw. eine Sammlung von Büchern und Schriften, Briefen etc. war die nur eine Antwort gegeben hätte. Das Verlangen danach, das Bedürfnis aber, dass es ein Buch mit der Antwort gibt (vielleicht mit ein bisschen Weltenteilen der Sorte schwarz-weiß Denken), ist aber da und begleitet dieses Buch, so wie andere Bücher dieser Kategorie auch. Vom Grundverständnis selbst, ist die Bibel aber nie konservativ gewesen (im Gegenteil! Viele verschiedene Positionen finden in ihr Platz! Siehe Ruth/EsraNehemiah). Sie wird aber immer wieder mit einer Art konservativer Brille gelesen.

Biblische Sexualität

Um die biblische Sexualität ranken sich viele Mythen, die meisten entstanden und entstehen durch (gefährliches) Halbwissen und Interpretationen von Texten deren Kontext nicht gut erfasst wurde. Ich, als Frau des 21. Jahrhunderts, lebe keine biblische Sexualität (und da reden wir jetzt noch gar nicht über Homosexualität -die übrigens in der Bibel nie erwähnt wird-, sondern nur einmal über den Aspekt Sex vor der Ehe, ja oder nein) und das hat ganz einfache Gründe:

Würde ich biblische Sexualität leben…

…hätte ich mit 12 Jahren verlobt und spätestens mit 13 oder 14 Jahre verheiratet sein müssen. Ab diesem Zeitpunkt hätte ich dann auch Sex gehabt. Vielleicht sogar mehr als mir lieb gewesen wäre und hätte angefangen Kinder zu gebären. In der Antike ist ein Mädchen ab 12 Jahren heiratsfähig. Barmitzwa wird bsplsw nicht ohne Grund mit 12 gefeiert.

…müsste ich mir meinen Ehemann mit anderen Frauen teilen, weil polygame Ehen absolut die Norm waren. Ich steh aber nicht so auf teilen in der Hinsicht und aussuchen hätte ich mir meinen Ehemann und Sexualpartner auch unter Garantie nicht.

…wäre Sex in erster Linie ein Akt der Fortpflanzung und hätte nie etwas mit Liebe zu tun. Zu biblischen Zeiten gab es nämlich keine Alten-oder-Krankenversicherung etc. Die Garantie für das Überleben einer Familie/Sippe waren die Kinder. Deswegen war es auch möglich als Mann mehrere Frauen zu haben und deswegen wurden Vergehen die die Fruchtbarkeit des Mannes oder der Frau angriffen, immer mit dem Tode bestraft (gibt es ganz interessante Kasus-Fälle dazu).

Was man wissen muss

Im ersten (=altes) Testament als auch im zweiten (=neues) Testament haben wir nie die Rede von vor-ehelichem Sex. Das liegt vor allem daran, dass das kaum ein Problem war, weil ohnehin sehr früh geheiratet wurde. Wir wissen aber, dass nur Richter ausdrücklich Jungfrauen heiraten mussten. Die Gesellschaft war zwar anders als unsere heute, der Mensch an sich hat sich aber kaum verändert 😉 Deswegen haben biblische Geschichten ja auch immer noch Relevanz für unser heutiges Leben.

Auch wenn vorehelicher Sex in der Bibel kein Thema ist (außer die römische Besatzung vergewaltigt jüdische Frauen…aber das ist ein anderes Thema, zu dem es eine seeehr schräge Lösung gab), so wird Ehebruch an mehreren Stellen thematisiert und es gibt klare Regeln wie man sich verhält. Frauen waren Objekte, gehörten klar zum Besitz des Mannes und wurden auch als solche wahrgenommen. Sie waren voranging dafür verantwortlich (männlichen) Nachwuchs zu gebären um das Überleben der ‚Familie‘ zu sichern und natürlich hatte es Bedeutung, dass sich der Mann sicher sein konnte, dass das tatsächlich sein Kind war. Aber wie gesagt, das hat erst innerhalb der Ehe wirklich Relevanz.

Das sechste Gebot im Dekalog ‚Du sollst nicht Ehebrechen‘, wird gerne von christlichen Gruppen verwendet um zu sagen, dass das so zu versteh ist, dass man auch vor der Ehe keinen Sex haben soll. Diese Argumente stützen sich meist auf ein Verständnis, das am ehesten damit erklärt werden kann, dass Gott die Kontrolle über alles hat und mit jedem Menschen einen göttlichen Plan vorsieht. Das heißt, ist es Gottes Plan, dass ich heiraten soll, dann steht jetzt zu dem Zeitpunkt wo ich es noch nicht bin, aber schon fest, dass ich es irgendwann mal sein werde. Ich werde einen Mann, der von Gott für mich geschaffen wurde, treffen und Gottes Plan wird sich mit ihm für mich erfüllen. Dieser Plan steht schon fest. Ich bin diesem Mann schon versprochen. Ich bin quasi schon verheiratet und würde mich an diesem meinem zukünftigen (aber schon fixen) Ehemann vergehen und quasi ‚Ehe brechen‘, würde ich mich auf jemand anderen vor ihm einlassen.  – dieser Argumentation kann ich wenig abgewinnen.

Im übrigen ist Ehe und Familie heute etwas völlig anderes als zur Zeit Davids und Jesu und wird von gewissen christlichen Strömungen unrealistisch romantisiert. Das Wort Familie gab es auch überhaupt nicht. Wenn, dann ist immer nur aus der männlichen Perspektive die Rede von ‚ich und mein Haus‘. ´Dies muss angemessen berücksichtig werden, wenn wir uns diesen Themen nähern. Das heißt nicht, dass Christen dem Zeitgeist oder Modeströmungen hinterher hecheln oder zum Opfer fallen sollen. Überhaupt nicht! Klar, können sich Christen nicht überall anpassen und das sollen sie auch nicht. Der historische Wandel aber muss angemessen analysiert und zur Kenntnis genommen werden. Was es also zu überlegen gilt, ist wie man die biblische Botschaft sinngemäß auf heute beziehen kann und was diese überhaupt ist.

Was ist Sex dann?

Seit dem zweiten vatikanischen Konzil (1962-65), hat die römisch-katholische Kirche ihr Bild über Sex überdacht. War Sex zuvor, wie im ET propagiert, nur ein Akt der Fortpflanzung und hatte dadurch Bedeutung und Gültigkeit, so kam man in diesem Konzil auf einen ‚größeren Sinn‘ des Ganzen zu sprechen. Sex, für die Kirche, ist ein Akt zwischen Mann und Frau (über Homosexualität schreibe ich vielleicht nochmal was extra für euch) in dem es um mehr geht als Prokreation. Sexualität hat einen Selbstzweck und seinen Sinn in sich selbst (Gen2). Es ist eine Heiligung des Erkennens, sich ineinander und dadurch in Gott erkennen und wahrnehmen, und wird nicht von ungefähr als ‚Liebesakt‘ beschrieben.

Sex ist nichts, dass leichtfertig geschehen soll, weil es so viel mehr ist als die körperliche Triebbefriedigung, bzw. so viel mehr sein kann. Was wir heute vielfach machen ist Sex zu ‚köpfen‘. Die Kirche hat das erkannt und der Lust und der Liebe zwischen zwei Menschen die miteinander schlafen Platz eingeräumt. Sie redet sogar von einer ‚existentiellen Tiefendimension‘ die nur dadurch erfahrbar wird. Innerhalb der Ehe- wohlgemerkt, weil die Kraft der Begegnung im Akt unitiv ist und dagegen spricht auch an und für sich nichts, nur wird die biblische Argumentation falsch geführt. Klar, sollte man sich gut überlegen mit wem man ins Bett springt (alleine schon, wenn man sich bewusstmacht, dass man potentiell dabei Leben zeugen könnte…), weil man sich bei gemeinsamen orgiastischen Erfahrungen sowohl physisch als auch persönlich nackt zeigt.

Viele meiner christlichen Freunde warten mit dem Sex auf die Ehe, weil sie sagen, dass sie das Kennenlernen und das ‚Testen ob sie füreinander in der Ehe bestimmt sind‘, nicht mit irgendetwas Physischem verkomplizieren wollen. Sie möchten sich ‚reinen Herzens‘ begegnen und ihrer selbst willen gemocht werden und für sie ist das nur so möglich. Das ist auch vollkommen okay. Und wenn man es schafft, sich dann nicht noch intensiver die ganze Zeit zu überlegen wie es wäre seine Hand zu halten, seinen Mund auf dem eigenen zu spüren etc. dann erfüllt dieses (Ab)Warten wohl auch wirklich seinen Zweck. Es muss aber deutlich gesagt werden, dass körperliche Abstinenz nicht immer diese, sondern sogar einen gegenteiligen Effekt, haben kann.

In der Bibel gibt es keine Jugendlichen. Sie kennt nur Kinder und Erwachsene. Wir stehen heute, als moderne, konservative oder wie auch immer Menschen das erste Mal vor einer extrem langen Wartezeit und ‚Lebensphase‘ die man davor noch nicht kannte. Heute heiratet man im Schnitt mit 28 Jahren. Das ist ein ernstzunehmender neuer ethischer Faktor den man mit Bibelstellen nicht bearbeiten kann, denn die Bibel kennt diese 13,14,15 Jahre (oder noch länger) Wartezeit nicht. Der Körper blüht zwar zwischen 18 und 23 Jahren am aller stärksten, die Liebe aber ist ganzheitlich. Das Körperliche sollte dem Seelischen aber auch nicht Kilometer weit voraus sein.

Zusammenfassend

Sex hat mehrere Aspekte im christlichen Sinne. Quasi vier ‚Sinngehalte‘ der Sexualität:

  1. Der Identitätsaspekt (Gewährleistung und Entgegennahme von Selbstbestätigung)
  2. Der Beziehungsaspekt (Gewährung und Annahme von Gemeinschaft und Nähe)
  3. Der Lustaspekt (In der Erfahrung von Lust Ektase zu eigenem Leben)
  4. Der Fruchtbarkeitsaspekt (In lebensschöpferischer Fruchtbarkeit Ekstase zu neuem Leben)

Ich denke, wenn man sich seiner Sexualität und der Sexualität generell informiert bewusst ist, kann man auch informierte Entscheidungen treffen. Die jeder für sich selbst treffen muss und die zu respektieren sind. Nicht darüber nachzudenken und einfach nut zu ‚machen‘, ist meiner Meinung nach aber der falsche Weg. Mal ehrlich, dafür ist die schönste Hauptsache der Welt auch einfach zu wichtig, oder? 😉

Falls ihr mehr zu dem Thema aus christlicher Perspektive lesen wollt und euch näher in die Thematik der vier Sinngehalte einarbeiten wollt, dann empfehle ich euch „Die Sprache der Liebe“ von Wolfgang Bartholomäus. Es gibt natürlich auch noch andere tolle Bücher und Artikel zu diesem Thema, die ich euch gerne empfehle. Fragte einfach, bzw. sagt nach wonach ihr sucht 🙂

 

Titelbildquelle

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