Was du Liebe nennst

Da hat sich mir jetzt, so kurz vor dem „Fest der Liebe“, doch noch ein Thema aufgedrängt. Bausa singt nämlich: Gib mir mehr von dem was du Liebe nennst, auch wenn es keine Liebe ist -ich liebe es. (Später singt er dann noch was von wegen: Deine Liebe ist nicht echt, aber dafür ist sie gut)

Alles in mir fragt sich: Hä? -wer würde sich denn bitte damit zufrieden geben? Zu wissen, dass man eigentlich vom Partner nicht geliebt wird, aber so desperate ist, dass einem das egal ist. Hauptsache man ist mit der Person ‚zusammen‘. Hauptsache man ist nicht alleine.

Da ist es scheiß egal was du Liebe nennst. Ich poste alles als couple-shit auf Insta, brrrro!

Aber wann wurde das eigentlich scheiß egal? Wann wurde Liebe scheiß egal? Die echte, wahre Liebe- das menschliche Mysterium, das uns erst zu dem macht was wir sind und uns über uns hinaus wachsen und wachsen lässt.

Ist genau DAS vielleicht das Problem unserer Twentysomething-Generation die Gesellschaft und Liebe in einem verwirrten Zustand formt?

Wir nennen etwas Liebe. Das keine Liebe ist.

Das vielleicht Liebe ist. Aber wir wissen’s nicht, weil…

wir nicht mehr wissen was Liebe ist.

Und geben uns dann mit Dingen und Menschen und ‚Liebe‘ zufrieden, von der wir die ungemütliche Ahnung haben, dass etwas faul ist. Dass es faul ist.

Und trotzdem wollen wir mehr davon, weil…? #fakelove

 

Vermutlich dramatisiert mein Hirn Bausas Lyrics gerade extrem, aber heute frage ich mich deswegen, was ihr so Liebe nennt?

Was du Liebe nennst?

Was ist Liebe (für dich)? -die romantische Liebe, von der Bausa zu singen scheint.

 

Was für mich Liebe ist habe ich schon mal versucht in Wortform zu bringen, aber vielleicht wage ich nochmal einen Versuch.

Verliebt zu sein, das ist ein Gefühl. Es überkommt dich, oder mich oder irgendeinen Menschen sonst auf dieser Welt jetzt gerade und noch an ganz vielen anderen Tagen des Lebens. Verliebt zu sein, ist von seinen Gefühlen überrannt zu werden, überrascht zu werden und ensteht eines schönen Tages einfach so, oder besser noch- trifft einen, mitten ins Herz. Verliebtheit ist immer unwillkürlich. Niemand hat einen Einfluss darauf wann und wo und in wen er oder sie sich verliebt. Verliebtheit ist mehr als bloße Anziehung, weil es nicht kalkulierbar ist. Nur weil man auf große, dunkle Typen steht, heißt das nicht, dass man sich nicht in den kleinen, dicklichen Rotschopf verliebt. Klar so weit? Verliebtheit steht immer in Verbindung mit einer Sehnsucht, die man oft gar nicht so genau für sich festmachen kann. Plötzlich ist diese Sehnsucht, dieses Verlangen nach der anderen Person einfach da…genauso schnell kann sie aber auch wieder vorbei sein.

Verliebtheit hat sicherlich auch egoistische Züge. Weil jeder von uns das Bedürfnis hat begehrt und ‚geliebt‘ zu werden. Sehr oft fallen dann auch Sätze wie: „Ich habe mich in ihn verliebt, weil ich mich so unglaublich stark mit ihm fühle. Weil er mir das Gefühl gibt etwas Besonderes zu sein und mit ihm habe ich wieder all das Selbstvertrauen, dass mir gefehlt hat!“ Das ist prinzipiell nichts Schlechtes oder Verwerfliches. Es scheint ziemlich menschlich zu sein. Verliebtheit ist immer auch egoistisch, weil es auch immer ein bisschen Träumerei ist. In dieser Phase kann man den anderen noch nicht wirklich ’sehen‘ oder ‚erkennen‘. Zu viele Hormone, zu viele Träume, zu viele Erwartungen. Vielleicht hat das schon mal jemand zu euch gesagt: „Du liebst ihn nicht um seiner selbst willen, sondern um das was er dir bringt oder das was du dir von ihm erhoffst. Du liebst ihn so wie du ihn dir erträumst, aber nicht für das was er wirklich ist.“ –und das ist in Ordnung, denn das ist das Wesen des Verliebt-Seins.

Was aber ist dann die Liebe?

In meinen Augen ist die Liebe ganz anders als das Verliebt-Sein. Die Liebe ist eine Willensentscheidung, die immer wieder getroffen wird. „Ich liebe dich!“, heißt nicht nur „Ich sehne mich nach dir!“ Liebe heißt jemanden zu (er)wählen und sich dem Umstand, dass man sich aber auch recht leicht wieder in jemand anderen verlieben könnten, bewusst zu sein. „Ich erwähle dich. Von allen in die ich mich verlieben könnte, verliebt habe oder verlieben werde. Ich erwähle Dich.“ Liebe ist nicht wankelmütig, weil sie eine reife und überlegte Entscheidung ist. Eine freie WILLENsentscheidung.

Wunderbar deutlich wird das was Liebe ist und was ihre Bedeutung ist, beim Eheversprechen. Niemand wird an diesem Tag danach fragen, ob du in deinen Partner immer verliebt sein wirst. Natürlich nicht! Selbst die verbissensten Romantiker werden das unterschreiben. Ewige Verliebtheit gibt es nicht. Das kann man auch unmöglich versprechen. Ewige Liebe aber, ein ewiges und immer wieder neues JA zum Anderen, das kann es geben. Das gibt es. Am Hochzeitstag wird man gefragt: „Willst du?“ und darauf antwortet man nicht von ungefähr mit „Ja, ich will!“ Man kann einander versprechen sich immer lieben zu wollen. Aber dazu braucht es Liebesfähigkeit und die wiederum braucht Zeit.

Auf dem Holzweg zur Liebe?

Viele von uns begnügen sich heute mit dem Verliebt-Sein, so scheint es mir. Vermutlich haben einige auch schon tatsächlich den Blick und den Sinn dafür verloren, was Liebe ist und was sie im Unterschied zu den bloßen (und wunderbaren!) Gefühlen des Verliebt-seins ist. Was mich in diesem Zusammenhang deutlich beunruhigt ist, dass in Gesten, Worten und Taten ‚Liebe‘ ausgedrückt wird, wo noch gar keine ist. Liebe wird zu einem vermeintlich ‚einfachen‘ Gut. Aber das ist sie ganz und gar nicht! Liebe ‚ist‘ auch nicht einfach, Liebe ‚wird’/wächst/reift.

Heute gewöhnt man sich daran (rasch) Zeichen zu setzen und etwas ‚Beziehung‘ und ‚Liebe‘ zu nennen, dem die Wahrheit fehlt. Weil man sich küsst. Weil man miteinander geschlafen hat. Weil man sich gut leiden kann. Verliebt ist. Aber ob das Liebe ist? Genau deswegen stumpfen Gesten, wie etwa ein Kuss, ab und verliert langsam auch seine Bedeutung. Gestern war es vielleicht nur der Kuss, der an Bedeutung und Gravitas verloren hat- heute ist es der Geschlechtsverkehr und morgen…? Morgen ist es die Liebe, weil wir uns auch schon gar nicht mehr daran erinnern was das eigentlich ist und die Menschen aussterben, die sie vorgelebt haben.

Vielleicht bin ich Idealistin.

Manche werden mir nach diesen Text auch vorwerfen Romantikerin zu sein oder von vor-vor-gestern. Aber was ist das denn für eine Welt, in der wir verlernen zu lieben? In der nichts mehr Bedeutung hat? Irgendwann bedeutet nichts mehr etwas. Irgendwann rauben wir uns das letzte bisschen Draht zu unserer rein-herzigen Menschlichkeit. Wir verkrüppeln uns und schreien wie trotzige Kinder, dass wir uns dabei nur frei setzten. Darüber hinweg setzten. Aber wir verstehen nicht, dass wir uns über die wahre Liebe und ihre Bedeutung (für uns/für unsere Menschlichkeit), nicht darüber hinaus erschaffen können.

Mit dem was du Liebe nennst, stehst und fällst du. Steht und fällt die Menschheit.

Genau so dramatisch ist das. Glaube ich.

 

Pfarrer Pierre-Hervé Grosjean hat einen tollen Vortrag über „Lieben in Wahrheit“ gehalten. Allerdings auf Französisch 😉

 

 

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