Warum das mit der Liebe wie Olympia ist

Irgendwie herrscht in unserer Gesellschaft, gerade  unter Twentysomethings meines Alters, die Vorstellung, dass man sich in seinen Zwanzigern (und möglichst schon davor) so richtig ‚austoben‘ muss, kann und darf. Dürfen und können widerspreche ich auch nicht, aber gegen das Müssen stelle ich mich entschieden und auch dürfen und können stelle ich im folgenden in Frage.

„Ich tob mich jetzt noch bis mindestens 26 aus.“, hat ein Freund neulich verkündet, als wir über Beziehungen und das single-Dasein gesprochen haben.  „Ich probier mich bis 26 noch aus, dann hab ich einen guten Job und dann werde ich mit einem netten Mädchen sesshaft, gründe Familie, bau ein Haus und so.“ Mit dieser Einstellungen ist er nicht alleine. Diesen Plan bzw. diese Vorstellung wie man an sein Liebesleben und Beziehungen herangeht finde ich aber zunehmend absurder.

Irgendwie befürchte ich, dass wir Twentysomethings (und sicherlich auch noch andere) hier einer groben und gefährlichen Illusion unterliegen, wenn wir glauben, dass wir ab irgendeinem Zeitpunkt dann plötzlich dazu fähig sein werden eine Beziehung zu führen, nur weil wir uns davor ausgetobt oder ausprobiert haben. Das soll nicht heißen, dass ich dagegen wäre Erfahrungen zu machen, weil das sicherlich auch ein wichtiger Schritt und Prozess sein kann um herauszufinden was man will oder eben nicht will, aber zwischen Erfahrungen in Verantwortung sammeln und genau eben das nicht zu tun, liegen nicht nur Unterschiede sondern Welten.

Wieso denken wir, dass wir mit 26 (oder welches Alter ihr euch auch immer selbst gesteckt habt) plötzlich andere Menschen sein werden? Dass ich plötzlich brav und treu und beziehungsfähig sein werde? Mit 26 ist man in der Regel so wie man die Zeit davor (oder sagen wir zumindest die letzten zehn Jahre) gelebt hat. Wir formen uns doch ständig selbst! Und plötzlich ist man 28, 29, 30 Jahre alt und ist verzweifelt, denkt vielleicht dass man sich im Partner geirrt hat, weil man ihm nicht treu sein kann oder die ersten Schwierigkeiten auftauchen. Das können tiefe Krisen sein. Und warum? Weil man sich nicht vorbereitet hat. Man hat Spaß gehabt. Man hat nicht gelernt, Nein zu sagen, oder „Nicht jetzt“. Man hat nicht gelernt, Herr seiner Gefühle zu sein, zur Ruhe zu kommen und vielleicht hat man nie den Unterschied gemacht, zwischen dem Gefühl des Verliebtseins und der Tatsache des Liebens.

Ich glaube, dass man sich nicht erst mit 26 auf die Ehe oder eine ernsthafte Beziehung vorbereitet. Das brauchte eine jahrelange(!) Vorbereitungszeit. Es ist nicht am Vorabend der Hochzeit, dass man sich sagt: „Ab jetzt bin ich ein guter Kerl, jetzt bin ich ein gutes Mädchen.“ Natürlich nicht! Olympioniken sagen nicht am Vorabend des Wettkampfs: „Los, jetzt leg ich eine gute Leistung hin, alles klar, ich schaff das!“ Nein. Am Tag des Wettbewerbs haben sie viele Jahre harten Trainings hinter sich. Sportler trainieren Jahre lang, stehen jeden Morgen auf, um zu trainieren und um sich vorzubereiten. Sie leiden, um sich- im Falle Olympia- für EINEN Wettbewerb vorzubereiten, der alle vier Jahre stattfindet.

Verdient die Liebe nicht genauso viel Einsatz, wie ein Wettkampf? Die Liebe will vorbereitet sein! Sie braucht eine lange und langsame Vorbereitung des Herzens. Die Liebe ist nämlich sogar noch herausfordernder als Olympia und der ‚Wettkampf‘ (gut, das ist jetzt eine doofe Formulierung, aber ihr wisst hoffentlich was ich damit sagen will), die Beziehung, findet für den Rest eures Lebens, jeden Tag aufs Neue, statt. Deswegen will die Liebe vorbereitet sein und ich finde solche Aussagen meiner Freunde hoch problematisch. Sind wir so von unserer Gesellschaft unrealistisch romantisiert worden, dass wir überhaupt gar keine Vorstellung mehr davon haben was es heißt Beziehung zu leben? Oder weigern wir uns einfach diese Arbeit anzuerkennen?

Wärst du nicht auch gerne mit jemandem zusammen der sich der Realität einer Beziehung gegenüber nicht verweigert hat und das vermutlich auch noch weiter tun wird? Wärst du nicht gerne mit jemandem zusammen der sich ‚auf dich‘ vorbereitet hat und  versteht, dass ihr beide nicht nur ab dem Zeitpunkt eures Zusammentreffens, sondern auch schon davor, Olympioniken der Liebe wart? Denk vielleicht mal darüber nach. ❤

 

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